Fachtagung Patentrezept Bioökonomie – Lösung für nachwachsenden Aufschwung oder leeres Versprechen, 6.10.2016, Graz
Pressemitteilung:
Nachwachsende und effiziente Wirtschaftsform der Zukunft
Glasscheiben aus Holz, Plastiksackerl aus Mais oder Autoreifen aus Löwenzahn, diese und viele weitere Produktinnovationen gehören zum Themenfeld Bioökonomie. Hinter dem Begriff steht der Übergang von einer erdölbasierten Wirtschaft hin zu einer Wirtschaft der erneuerbaren, natürlichen Ressourcen.
Rund 200 TeilnehmerInnen informierten sich bei der Fachtagung „Patentrezept Bioökonomie – Lösung für einen nachwachsenden Aufschwung oder leeres Versprechen?“ am 6. Oktober 2016 im Grazer Messecongress dazu, was Bioökonomie denn nun tatsächlich leisten kann. Die aus dem Branchentrend resultierenden Chancen für die Land- und Forstwirtschaft wurden genauso diskutiert, wie die effiziente Nutzung des heimischen Rohstoffpotenzials.
Der Klimawandel und der gigantische Ressourcenverbrauch sind für Landesrat Johann Seitinger die neuen globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, denen man mit den vielfältigen Ansätzen im Bereich der Bioökonomie begegnen kann: „Die Bioökonomie bietet nicht nur passende Lösungsansätze, sondern stellt eine riesige Chance für unsere Land- und Forstwirtschaft dar. Bäuerliche Betriebe werden gestärkt, da sie neue innovative Wege beschreiten und so als Wirtschaftsmotor für die gesamte Region fungieren können. Daher müssen wir weiter daran arbeiten, den umfangreichen Werkzeugkasten der Natur mit unserem Ideenreichtum zu vereinen.“
Ob Bioökonomie in Österreich tatsächlich Zukunft hat, schätzt Bürgermeister und Präsident des Ökosozialen Forums Steiermark Siegfried Nagl folgendermaßen ein: „Die neue Denkweise der Bioökonomie kann zu einem echten Treiber für die nachhaltige, österreichische Wettbewerbsfähigkeit werden. Während unser Wirtschaftswachstum in der Vergangenheit die Kraft aus fossilen Brennstoffen gezogen hat, vernetzt die Bioökonomie nicht nur getrennte Wissenschafts und Wirtschaftssektoren, sondern schafft nachhaltig Arbeitsplätze.“ Auf europäischer Ebene wurden bereits Strategien entwickelt, die für einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und Umwelt sorgen. „Bioökonomie ist ein aktiver Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele. Sie bietet für die Land- und Forstwirtschaft eine große Chance, die Wirtschaft anzukurbeln, die ländlichen Regionen aufzuwerten und Wertschöpfung zu generieren. Ein Zusammenspiel aus wissenschaftlichen
Erkenntnissen und praktischer Umsetzung ist dafür unumgänglich“, bekräftigt Franz Titschenbacher, Präsident der Landwirtschaftskammer Steiermark.
Für viele Branchen wird dieser Trend zwangsläufig ein Umdenken mit sich bringen müssen. Nicht so für die Betriebe der Holzbranche, deren Fokus seit jeher auf dem einzigen Werkstoff liegt, der stetig nachwächst. „Die Herausforderung für die Wertschöpfungskette Forst-Holz-Papier wird neben dem Ersatz fossiler Ressourcen, in der Steigerung der eigenen Innovationskraft liegen. Denn auch die Entwicklung neuer industrieller Produkte und Fertigungsprozesse ist Bioökonomie“, so Heinz Gach, Aufsichtsratsvorsitzender des steirischen Holzclusters.
Im Labor wird bereits seit einigen Jahren zu nachhaltigen Produkten und Erzeugungsmethoden geforscht. Für Reststoffe aus Land- und Forstwirtschaft werden neue Einsatzgebiete gefunden, damit diese infolge der Kreislaufwirtschaft zugeführt werden können, wie Martin Gerzabek, Rektor der Universität für Bodenkultur Wien und Präsident von BIOS Science Austria weiß: „Stroh beispielsweise besteht hauptsächlich aus Zellulose. Diese kann man modifizieren, um entweder die Qualität bei der Produktion von Papier und Zellstoff zu erhöhen oder um ganz neue Anwendungsgebiete zu erschließen. Das Gleiche gilt für Lignin, ein Holzbestandteil, der bei der Zellstoff- und Papierproduktion übrig bleibt. Aktuell wird geforscht, wie man aus Lignin Bindemittel für die Pharmaindustrie oder Klebstoffe herstellen kann.“
Die Aussichten für die Wirtschaft sieht die Europäische Kommission durchwegs positiv: Zwei Billionen Euro Jahresumsatz, 22 Millionen Arbeitsplätze, die neun Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Europa beschäftigen und das mit zusätzlichem Steigerungspotenzial. EU-weit stehen für das Thema Bioökonomie rund vier Milliarden Euro bereit, die für innovative Forschungs-, Entwicklungsprojekte ausgeschüttet werden.
Kernaussagen der Veranstaltung:
- Die Bioökonomie wird zukünftig für die ländliche Entwicklung sehr wichtig sein und eine Regionalisierung ermöglicht eine verstärkte regionale Wertschöpfung.
- Alle relevanten Ministerien müssen bezüglich dieser Thematik an einem Strang ziehen und eng miteinander kooperieren.
- Das Know-How zur Bioökonomie muss gebündelt werden und sektorübergreifende bzw. international vernetzte Kooperationsplattformen zwischen Forschung und Unternehmen (insbesondere KMUs) müssen entwickelt werden.
- Ein verantwortungsvoller und gleichermaßen effizienter Umgang mit dem knappen Angebot an nachwachsenden Rohstoffen im Rahmen ökosozialer Marktwirtschaft und Gewinnung von Nährstoffen und Energie als zusätzliche Endprodukte muss gewährleistet werden.
- Die Entwicklung smarter Produkte und der Ausbau des Einsatzes von Neben- und Koppelprodukten in neuen Bereichen sind voranzutreiben (maximale Wertschöpfung von Holz).
- Die Nachhaltigkeit der Bioökonomie sowie die Schaffung eines attraktiven Umfeldes für Investitionen und FDI stehen im Vordergrund und müssen aktiv gefördert und gestaltet werden.
Download: Programm
Fotos: Martin Weigl/BIOS Science Austria